08. Juli 2011

Bericht der Geschäftsführung: Eine Mission mit Visionen

Die Arbeit der DAHW 2010

Im Jahr 2010 hat die DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe hilfsbedürftige Menschen in 28 Ländern unterstützt. Sie hat einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass Menschen mit den Armutskrankheiten Lepra und Tuberkulose Zugang zu schneller Diagnose und Behandlung erhalten. Hilfsmaßnahmen für die Opfer der Flutkatastrophe in Pakistan sind in der zweiten Jahreshälfte als Schwerpunkt hinzugekommen.



Die DAHW hat 2010 eine Diskussion über ihr künftiges Mandat begonnen. Vereinsmitglieder, Vorstand, ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeiter, Spender sowie Experten aus den Projektländern diskutierten auf einer Zukunftskonferenz über die künftigen Schwerpunkte  der DAHW. Dabei wurden die Kernmandate Lepra und Tuberkulose bekräftigt. Zusätzlich wurden „vernachlässigte Krankheiten“ als Untermandat bestätigt und Behinderung als neuer Schwerpunkt in die Aufgabenstellung der DAHW aufgenommen. Wegen der vielen ungeklärten Fragen besonders bei Lepra wird die DAHW auch mehr Forschungsvorhaben unterstützen.



Die DAHW hat sich im vergangenen Jahr ein Leitbild gegeben. „Unsere Vision ist eine Welt, in der kein Mensch unter Lepra, Tuberkulose und anderen Krankheiten der Armut und ihren Folgen wie Behinderung und Ausgrenzung leidet“, heißt es dort.



Humanitäre Hilfe


Die Jahrhundertflut in Pakistan im vergangenen August hat Millionen Menschen die Lebensgrundlage geraubt. Die DAHW reagierte umgehend. Wegen ihrer in der Vergangenheit nachgewiesenen Fähigkeit, die Menschen in Pakistan schnell und effektiv zu unterstützen, vertrauten Spender der DAHW und ihren langjährigen Partnern vor Ort: Dr. Ruth Pfau und ihrem Team im Marie Adelaide Leprosy Centre (MALC) in Karachi im Süden des Landes und Dr. Chris Schmotzer mit ihrer Organisation Aid to Leprosy Patients (ALP) in Rawalpindi im Norden Pakistans.



Unser besonderes Augenmerk gilt auch in Notsituationen Menschen mit Behinderung, chronisch Kranken und Familien, die ihren Ernährer verloren haben. Rund 900 einheimische Helferinnen und Helfer waren zeitweilig für die Flutopfer im Einsatz. Mit Lebensmittelpaketen, Trinkwasser, Zelten, Plastikmatten und Bettzeug und weiteren Hilfsmaßnahmen haben wir mehr als 200.000 Menschen erreicht. Der Wiederaufbau wird auch 2011 und 2012 weitergehen.



Programm- und Projektarbeit


Die DAHW hat 2010 mit etwa der Hälfte ihrer Mittel kirchliche und nicht-staatliche Initiativen, Ausbildungszentren und Patientenvereinigungen unterstützt, die anderen 50 Prozent wurden für die Stärkung der nationalen Programme zur Bekämpfung von Lepra, Tuberkulose und Buruli Ulcer aufgewendet.



In Äthiopien, Indien, Kolumbien, Nigeria, dem Senegal und Tansania haben die DAHW-Partner die Angebote für Menschen mit Behinderung zu einer gemeindenahen Rehabilitation  ausgebaut. Die neuen Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu diesem Thema sind dabei sehr hilfreich. 



Im vergangenen Jahr wurde die 2009 getroffene Entscheidung umgesetzt, die Unterstützung für Argentinien, Ecuador, Kenia, Syrien, China, Kambodscha, Thailand einzustellen. Anders als zunächst geplant wird jedoch die Hilfe für Afghanistan fortgesetzt. Die 256 Projekte verteilen sich wie folgt: Afrika (110),  Asien (99) und Lateinamerika (32) Zusätzlich unterstützt die DAHW 15 überregionale Projekte in Forschung, Aus- und Weiterbildung. 



Qualitätssicherung


Um die Qualität der Projektarbeit zu verbessern, wurde ein Konzept entwickelt, wie die Zahl der Patienten gesenkt werden kann, die ihre Behandlung mit Antibiotika vorzeitig abbrechen. Besonders Patienten mit Tuberkulose müssen ihre Medikamente bis zur vollständigen Heilung regelmäßig einnehmen, da sonst gefährliche Resistenzen entstehen können und die Medikamente unwirksam.werden.



Der 2010 entwickelte Rahmen für die Qualitätssicherung auf der Basis des Modells der European Foundation for Quality Management (EFQM) wurde um ein Kapitel zur Sicherheit  ergänzt. Dazu zählen Schutzmaßnahmen vor kriminellen Handlungen oder bewaffneten Auseinandersetzungen, aber auch beim Autoverkehr oder bezüglich der Sicherstellung der Behandlung von Patienten, falls Projektaktivitäten, aus welchen Gründen auch immer, plötzlich eingestellt werden müssen.



Darüber hinaus wurden die Richtlinien für die Aufgaben der Länderbüros überarbeitet und um die Bereiche Ko-Finanzierung und lokale Spendenwerbung erweitert.



Kommunikation


Die zeitnahe und kontinuierliche Information per Brief, Internet und in den klassischen Medien (Zeitung, Radio,TV) über die Fluthilfe Pakistan motivierte viele Spenderinnen und Spender weit über das übliche Maß hinaus zu helfen. Wir sind sehr dankbar für dieses große Vertrauen. Besonders freuen wir uns, dass so viele Menschen zusätzlich zu ihrem Beitrag zur Fluthilfe auch weiterhin für die „Alltagsarbeit“ der DAHW, die medizinische und soziale Arbeit gespendet haben.



Wir haben begonnen, mehr über die Wirkung der Hilfe zu berichten und wollen dies weiter ausbauen. Auch telefonisch wollen wir insbesondere bei Spendenaufrufen unser Informationsangebot steigern, indem wir persönlichen Kontakt zu vielen Spendern aufnehmen. Erstmals haben wir 2010 „Apps“, Applikationen für Smartphones, in unsere Spendenaufrufe integriert und bauen damit auch unsere Internet-Präsenz im Bereich der Sozialen Netzwerke aus.



Pressearbeit


Unsere Hilfe für die Flutopfer in Pakistan führte zu einer großen Presseresonanz. In Zeitungsartikeln, Radio- und Fernsehbeiträgen wurden die Maßnahmen von Dr. Ruth Pfau und Dr. Schmotzer als Beispiele gelungener Hilfe beschrieben. Unsere Spenderinnen und Spender, aber auch Menschen, die uns bis dahin nicht unterstützt haben, hat dies motiviert – das zeigt das außerordentlich gute Spendenergebnis für Pakistan.



Ein gutes Presseecho fanden auch die vielfältigen Aktionen unserer ehrenamtlichen Gruppen und Unterstützer. Aktionsgruppen, Kirchengemeinden, Frauengemeinschaften und Schulen veranstalteten wieder zahlreiche Basare, Konzerte oder Sponsorenläufe und spenden die Erlöse für die Projektarbeit.  



Wirkungsbeobachtung


Zur besseren Wirkungsmessung haben sich 13 deutsche Organisationen, darunter die DAHW, und 30 Organisationen des Südens zu der Initiative NGO-Ideas zusammengeschlossen. Gemeinsam mit den betroffenen Bevölkerungsgruppen sollen geeignete Instrumente erarbeitet werden, um Wirkungen und Nebenwirkungen erfassen zu können.


Wichtig ist auch, dass die eigentliche Messung der Projekterfolge von den Betroffenen selbst durchgeführt wird – schließlich sind sie die Hauptadressaten der Projekte und sollten in Lage versetzt werden, zu prüfen, ob die Projekte „etwas bringen“. In regelmäßig stattfinden Workshops tauschen die Organisationen ihre Erfahrungen aus, ein solcher Workshop fand im Juli 2010 im südindischen Coimbatore statt.



Personalentwicklung


Die DAHW beschäftigte im vergangenen Jahr 41 Vollzeitkräfte (ohne Auszubildende).  



In der Struktur der DAHW in Deutschland gab es im Jahr 2010 keine größeren Veränderungen. Auch die Fluthilfe für Pakistan wurde ohne personelle Verstärkung geleistet, was zeitweise sehr viel Kraft gekostet hat. Die Elternzeit einer Kollegin wurde durch eine interne Umverteilung von Aufgaben „aufgefangen“.



Die Länderbüros in Thailand, Pakistan (die Projektarbeit geht weiter!) und im Nordsudan wurden wie seit längerem geplant geschlossen. Unser medizinischer Berater Dr. Pieter de Koning, der seine Tätigkeit in Würzburg Ende August 2010 beendet hat, wird ab September 2011 für drei Jahre nach Liberia gehen und das Team unseres dortigen Partners bei der Bekämpfung der Lepra verstärken.



Zum Jahresende haben wir das Team Ehrenamt mit einer weiteren Vollzeitposition verstärkt. Die Unterstützung der ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist weiterhin eine wichtige Säule des Erfolges der DAHW.



Jahresergebnis


Im Vergleich zu den beiden Vorjahren haben sowohl die Einnahmen als auch die Projektausgaben deutlich zugenommen. Beide Kennzahlen haben im zweistelligen Prozentbereich zugelegt, was auch mit der humanitären Hilfe in Pakistan zusammenhängt.



Insgesamt stieg das Projektvolumen von 10,7 Millionen 2009 auf 12,8 Millionen 2010, eine Steigerung um knapp 20%. Das außerordentliche Engagement der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter hat diesen deutlichen Zuwachs  ermöglicht.



Dass die DAHW im Berichtsjahr 2010 dennoch einen Fehlbetrag von 521.682,12 Euro ausweist, ergibt sich aufgrund der hohen Rückstellungen von 2,5 Millionen Euro in den Spendenfonds für Pakistan. Dies sind Mittel für Pakistan nach der Flut, die nicht für Sofortmaßnahmen, sondern für den Wiederaufbau bestimmt waren und 2011/2012 eingesetzt werden. Sie wurden von den Erträgen 2010 abgezogen und in einen speziellen Fonds eingestellt.



Dem Ziel eines ausgeglichenen Haushaltes ist die DAHW somit trotz der nicht vorhersehbaren Hilfsmaßnahmen für Pakistan sehr nahe gekommen. Die Projektausgaben sind im Vergleich zum Vorjahr um 2,2 Millionen Euro gewachsen.



Ehrenamt


Ehrenamtliche haben auch 2010 der DAHW in Städten und Gemeinden ein Gesicht gegeben. In Aktionsgruppen, Kirchengemeinden, mit der Kolpingsfamilie und auch in Schulen haben sie über die Situation von Menschen berichtet, die an Lepra oder Tuberkulose erkrankt sind und die Wirkung der Hilfe beschrieben. Ehrenamtliche haben auch mit vielfältigen Aktionen Spenden für die Fluthilfe Pakistan gesammelt.  



Im vergangenen Jahr waren Vertreter aus Äthiopien, Brasilien, Pakistan, dem Senegal und Tansania in Deutschland für die DAHW auf Vortragstour unterwegs, oftmals bei Veranstaltungen, die Ehrenamtliche organisiert haben.


In der Adventszeit fanden über 60 Basare statt, bei denen rund 1.200 Ehrenamtliche sowie Helfer mitgewirkt haben. Rund 25.000 Menschen haben diese Basare besucht.



Im November 2010 ging die interaktive Ehrenamtskarte mit der Funktion „Wo finde ich Ehrenamtliche in meiner Nähe?“ auf der Seite www.dahw.de online.



Kofinanzierung


Im Berichtsjahr sind die Einnahmen durch Ko-Finanzierungsgeber deutlich angestiegen – sowohl in der Würzburger Zentrale als auch direkt in den Projektländern. Insgesamt hat sich die Summe von gut 900.000 Euro (2009) auf 1,8 Millionen Euro 2010 knapp verdoppelt.



Für diese Entwicklung waren die ausgezeichneten Leistungen der Länderbüros maßgeblich. Die Steigerung wurde in den Ländern Indien, Nigeria und Äthiopien erreicht, die auch bisher bereits Ko-Finanzierungen eingeworben hatten.



Erstmals haben wir 2010 als Partner im Bündnis Entwicklung Hilft (BEH) von diesem Mittel für Soforthilfe und Wiederaufbau in Pakistan erhalten.



Chancen und Risiken


Weder Lepra noch Tuberkulose stellen in Deutschland Gesundheitsprobleme dar. Zudem war die Zahl der weltweiten Lepra-Neuerkrankungen über viele Jahre rückläufig; inzwischen hat sie sich bei um die 250.000 eingependelt. Die Erfolge in der Lepra-Bekämpfung erschweren es heute paradoxerweise, die Aufmerksamkeit für diese besonders stigmatisierende Krankheit und das Wissen um Diagnose und Behandlung wach zu halten.


So steigt das Risiko, dass sich die Spendeneinnahmen für die Kernmandate rückläufig entwickeln. Qualität, Innovation (Behinderung, Forschung) und die Möglichkeit einer Ko-Finanzierung werden daher zunehmend wichtigere Kriterien für die Vergabe neuer Projektmittel.



Bei der Kofinanzierung ist zu berücksichtigen, dass diese Drittmittel zu einem überwiegenden Anteil von der US-Amerikanischen Regierung kommen. Dies birgt das Risiko, dass bei möglichen politischen Veränderungen diese Aufträge nicht umgesetzt oder ausgeführt werden. Zugesagte Zuschüsse aus globalen Finanzierungsinstrumenten wie dem Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria (GFATM) werden nur ausgezahlt, wenn das Land, hier Nigeria insgesamt eine positive Beurteilung bei der Umsetzung aller zugesagten Gelder erreicht. Diese Faktoren kann die DAHW nicht beeinflussen.



Ausblick


Der Wiederaufbau nach der Flutkatastrophe in Pakistan ist eine der großen Aufgaben 2011/2012.



Erstmals wird 2011 eine strategische Gesamtplanung für die Arbeit der jeweils nächsten drei Jahre festgelegt. Die Projektausgaben - ohne Mittel für den Wiederaufbau Pakistan - haben wir in ungefähr der gleichen Höhe geplant wie im abgeschlossenen Jahr 2010.



Auf der Basis der mittelfristigen Finanzplanung gehen wir von einem ausgeglichenen Haushalt 2011 aus.



Operative Schwerpunkte 2011



Lepra:

  • Ausbau der Untersuchung von Kontaktpersonen, um neue Patienten möglichst früh zu finden
  • Aufbau von Referenzzentren in Schwerpunktländern

Tuberkulose


  • Lücken schließen, die staatliche Gesundheitssysteme lassen, um die Ausbreitung der Krankheit einzudämmen
  • Therapietreue verbessern, auch bei Patienten mit multiresistenter TB


Menschen mit Behinderung/ CBR:


  • Konzept für Untermandat entwickeln
  • Neue Projekte in 4-5 Ländern, auch zur allgemeinen Behinderung


Forschung:

  • Konzept erstellen
  • Wissenschaftlicher Beirat, standardisiertes Antragswesen, internationale Vernetzung


Im vergangenen Jahr hat die DAHW ihr Profil als kompetentes und seriöses medizinisch-soziales Hilfswerk gestärkt und sie wird 2011 auf diesem Weg weitergehen. Wir sind dankbar für das Vertrauen, das unsere Spender, Ehrenamtlichen und Zuwendungsgeber und nicht zuletzt die Patienten in uns setzen. Dieses Vertrauen ist uns Ansporn und Verpflichtung. 



Burkard Kömm, Geschäftsführer


Übersicht Jahresbericht 2010

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