01. Juli 2021

FHWS-Konzeptathon zu Rassismus und Kolonialismus

Die DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe war am 25. Juni 2021 Kooperationspartner im Rahmen einer digitalen Lehrveranstaltung von Prof. Dr. Ulrich Gartzke und Thomas Peters an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt (FHWS), bei der sich die Studierenden mit Rassismus und Kolonialismus auseinandersetzten.

Wie kann eine soziale Organisation wie die DAHW über die sozialen Probleme in Armutsländern berichten und um Unterstützung bitten, ohne Stereotype zu reproduzieren?

Mit dieser Frage begrüßte Burkard Kömm, Geschäftsführer der DAHW, rund sechzig Studierende der Bachelor- und Masterstudiengänge Angewandte Sozialwissenschaften. Eingeteilt in zehn Teams, widmeten sie sich während eines ganztägigen „Konzeptathons“ –  einer Kombination aus Konzepterstellung, Hack und Marathon – der Aufgabe: „Wie kann man Zielgruppen dazu bewegen, sich mit dem Thema (struktureller) Rassismus und Kolonialismus auseinanderzusetzen und aktiv dagegen anzugehen?”. Ihre Lösungsansätze für die Zielgruppen Tourist:innen, Geschäftsreisende, Schüler:innen, ehrenamtliche Mitarbeiter:innen sowie Spender:innen entwickelten sie systematisch mithilfe verschiedener agiler Methoden des sog. Design Thinkings. Im Anschluss stellten sie ihre Ideen dem Plenum vor.

Rassismus und Kolonialismus sind in unseren Köpfen und Gesellschaften tief verankert und müssen immer wieder aufs Neue kritisch reflektiert und diskutiert werden, wenn wir rassistische Strukturen langfristig abbauen wollen. Längst ist klar: Auch Äußerungen, die nicht rassistisch „gemeint“ sind, reproduzieren Rassismus, grenzen aus und verletzen. Zur Einführung in das komplexe Thema wurden den Studierenden verschiedene filmische Beiträge gezeigt, auf deren Basis zunächst selbst, inwiefern sie rassistisches Gedankengut in sich tragen. Die DAHW hatte zudem Expert:innen (u.a. aus Nigeria) eingeladen, die sich mit den Studierenden über ihre Erfahrungen austauschten, um den Blickwinkel Betroffener besser verstehen zu können.

Die Ergebnisse des Konzepthatons

Um Tourist:innen für das Thema Rassismus zu sensibilisieren, entwickelte Team 1 eine interaktive Landkarte mit Informationen, Videos, Dos und Donts sowie einem Quiz, die zum Beispiel auf Reise-Webseiten oder digitalen Infopoints an Flughäfen eingebunden werden kann. Team 2 konzipierte ein Theaterprojekt als sog. Forumtheater: Bei dieser interaktiven Theaterform soll das Publikum in den Dialog treten und gemeinschaftlich ein gutes Ende des Stückes entwickeln.

Anknüpfungspunkte für Geschäftsreisende suchten Team 3 und 4. Eine Idee war es, über eine „Human Library“ (eine lebendige Bibliothek) Menschen als Gesprächspartner:innen „auszuleihen“, die sozial ausgegrenzt und mit Vorurteilen konfrontiert werden. Im Dialog mit ihnen können eigene Perspektiven überdacht und mit denen von Betroffenen abgeglichen werden. Team 4 plante einen dreiteiligen Workshop, bei dem beispielsweise auf Messen Begegnungen mit internationalen Menschen auf Augenhöhe stattfinden, Fachwissen weitergegeben und Geschäftskulturen ausgetauscht werden können.  

Schüler:innen der Mittelstufe möchte Team 5 mit einem wöchentlichen Theaterprojekt als Wahlpflichtfach erreichen, bei dem die Themen Rassismus und Kolonialismus im Fokus stehen. Angedacht sind externe Referierende, Vorführungen in der Schule sowie Videos, Erfahrungsberichte, Rollen- und Fallbeispiele. Team 6 konzipierte eine Projektwoche unter dem Motto „So bunt ist die Welt“, um bei Grundschüler:innen ein Wir-Gefühl zu schaffen und für Rassismus zu sensibilisieren.

Um ehrenamtliche Mitarbeiter:innen anzusprechen, entwickelte Team 7 einen „Tag der Begegnungen“: Über Plakataktionen und thematische „Blind Dates“ könnte man mit Ehrenamtlichen in den Austausch kommen. Team 8 schlug eine Ausstellung mit dem Titel „Rassismus sichtbar machen: Zweideutig eindeutig“ vor, um Studierenden alltäglichen und strukturellen Rassismus bewusstzumachen, für die Sprache und deren Wandel zu sensibilisieren und Brücken zwischen Adressat:innen und ehrenamtlich Tätigen zu bauen.

Spender:innen möchte Team 9 mit einem „Museum neuer Perspektiven“ erreichen, in dem in Videos über Rassismus-Erfahrungen in den Bereichen Kunst, Kultur, Musik, Wissenschaft und Technik in verschiedenen Ländern erzählt wird. Insbesondere ältere Spender:innen soll die Idee von Team 10 abholen: Um Vorurteile „wegzuschreiben“, sollen Brieffreundschaften aufgebaut und Bäume der Freundschaft gepflanzt werden.

„Wir sind beeindruckt, welche kreativen Ansätze die Studierenden in dieser kurzen Zeit zu diesem sehr komplexen Thema entwickelt haben", so Judith Aßländer, Bildungsreferentin bei der DAHW und eine der inhaltlichen Organisatorin des Konzeptathons. "Vor allem aber freuen wir uns über die Offenheit und Bereitschaft, sich mit Rassismus im Bildungskontext zu beschäftigen." Schließlich sei es keine schöne Erkenntnis, dass wir alle rassistisches Gedankengut in uns tragen und dieses sich – vielleicht ohne es zu wollen oder zu wissen – in unserem Alltag auch ausdrückt. „Gerade auch im Kontext von Entwicklungszusammenarbeit ist es sehr wichtig, dass wir strukturellen Rassismus bekämpfen. Und das fängt im Kleinen bei jedem Individuum an.“

Links zu den gezeigten Filmbeiträgen und weiterführenden Informationen zu Rassismus und (Post-)Kolonialismus: