(Würzburg, 20.02.2019) – Vom 21. bis 23. Januar 2019 begrüßte die DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e. V. das Internationale Konsortium für Behinderung und Entwicklung (IDDC) in ihrer Würzburger Zentrale: Vertreterinnen und Vertreter mit und ohne Behinderung von verschiedenen (Behinderten-) Organisationen aus Ländern Afrikas, Asiens und Europas diskutierten die Möglichkeiten und Anforderungen einer gemeindebasierten inklusiven Entwicklung (Community Based Inclusive Development, CBID). Dieser ganzheitliche Ansatz läutet einen Paradigmenwechsel ein, auch in der Entwicklungszusammenarbeit: Menschen mit Behinderung sollten sich nicht in eine sogenannte normale Gesellschaft eingliedern müssen (Integration), sondern die Gesellschaft sollte die Verschiedenheit von Menschen mit ihren jeweiligen Begabungen und Einschränkungen respektieren, bestehende Barrieren abbauen und gegen Vorurteile vorgehen (Inklusion). „Eine inklusive Gesellschaft stellt die notwendigen Ressourcen zur Verfügung, um allen eine gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen“, so Sahayarani Antony, Mitarbeiterin der DAHW im Fachbereich Soziales und Organisatorin des Workshops. „Dieser Anspruch bildet die Basis für unsere medizinischen und sozialen Projekte.“
Im Fokus der dreitägigen, international besetzten Veranstaltung im Würzburger Hauptsitz der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e. V. stand die gemeindebasierte inklusive Entwicklung (Community Based Inclusive Development, CBID). Ziel dieses Ansatzes ist es, dass Menschen mit Behinderungen und ihre Familien vollständig in alle Aspekte des Gemeinschaftslebens einbezogen und an Entscheidungsprozessen auf lokaler Ebene beteiligt werden. Sie sollen vollen Zugang zu allen Einrichtungen und Dienstleistungen erhalten, vor allem in den Bereichen Gesundheit, Bildung, soziale Teilhabe und Existenzsicherung. Betroffene gilt es zu befähigen, ein autonomes und selbstbestimmtes Leben zu leben. Beispielsweise durch den Aufbau von Selbstvertretungsorganisationen und Maßnahmen zur Förderung von Aktivitäten zur Existenzsicherung. Ein besonders wichtiger Aspekt: Denn in Ländern des „Globalen Südens“ leiden Menschen mit Behinderung zu über 80 Prozent unter Armut. Sie zu unterstützen, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen, ist entscheidend für ein Leben in Würde. Nicht zuletzt ist auch die Lobbyarbeit bei lokalen Regierungen und Institutionen für die Rechte von Menschen mit Behinderungen wesentlicher Bestandteil des CBID-Ansatzes.
CBID auch zunehmend Bedeutung in der Arbeit der DAHW
Der CBID-Ansatz, der heute in der weltweiten Entwicklungszusammenarbeit immer mehr verankert ist, hat seine Wurzeln in der gemeindenahen Rehabilitation (Community Based Rehabilitation, CBR). Diese wurde in den 1980er Jahren von der Weltgesundheitsorganisation WHO, dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen UNDP, der Internationalen Arbeitsorganisation ILO und der UNESCO entwickelt. Auch hier werden Betroffene bei der Gründung von Selbsthilfegruppen und Organisationen von und für Menschen mit Behinderung unterstützt. Zudem werden in ihren Heimatgemeinden Sensibilisierungskampagnen für ihre Bedürfnisse durchgeführt und einkommensschaffende Aktivitäten sowie Spar- und Kreditprogramme umgesetzt.
„Am Anfang ihrer über 60-jährigen Geschichte konzentrierte sich die DAHW darauf, Menschen mit leprabedingten Behinderungen durch Rehabilitationsmaßnahmen, also beispielsweise durch die Ausstattung mit Gehilfen oder Rollstühlen, zu unterstützen“, erläutert Sahayarani Antony, Fachbereich Soziales beim Würzburger Hilfswerk. „Doch schnell weiteten wir unsere Aktivitäten im Sinne der gemeindenahen Rehabilitation aus und setzten auf ganzheitlichere und damit nachhaltigere Projekte.“ Nun findet der CBID-Ansatz Eingang in die Arbeit der DAHW: „Wir wollen alle Menschen mit Behinderungen – unabhängig von ihrer Ursache – bestärken, ihre Rechte wahrzunehmen und für sich selbst einzustehen“, führt Antony aus. „Denn eine inklusive Gemeinschaft kann nur mit einer behindertengerechten lokalen Entwicklung erreicht werden.“ Dabei gründe das Verständnis von Behinderung und Inklusion auf die im Jahr 2006 von den Vereinten Nationen (UN) verabschiedete „Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung“.
Das IDDC - International Disability and Development Consortium
1993 trafen sich auf Initiative der italienischen Organisation Associazione Italiana Amici di Raoul Follereau (AIFO) erstmals elf europäische Nichtregierungsorganisationen für Behinderte und Entwicklung (NGO), Mainstream-Entwicklungs-NGOs und Behindertenorganisationen (DPOs), die Behinderten- und Entwicklungsarbeit in mehr als 100 Ländern der Welt unterstützen. Ein Jahr später wurde in Oslo das International Disability Consortium (IDC), später International Disability and Development Consortium (IDDC) gegründet. Heute zählt die IDDC 23 Vollmitglieder, darunter die Internationale Vereinigung der Leprahilfswerke (ILEP), zu deren Gründungsmitgliedern die DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e. V. zählt. Ein besonderer Schwerpunkt der Arbeit der IDDC liegt auf der Förderung der vollen und effektiven Wahrnehmung der Menschenrechte durch alle Menschen mit Behinderungen, die in wirtschaftlich armen Gemeinschaften in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen leben.