26. Januar 2005

Indien: "Elf Tage vor Tsunami geboren"

Die DAHW leistet Nothilfe in zwölf indischen Fischerdörfern. DAHW-Geschäftsführer Jürgen Hammelehle berichtet aus dem Dorf Sreenvisapuram.

von Jürgen Hammelehle

(Würzburg, 21.1.2005) Überall liegen am Strand Kleidungsstücke, Baumaterial und zerbrochene Haushaltsgegenstände herum. Der Bagger schaufelt Bauschutt auf einen Lastwagen, langsam wird der Küstensaum von der Tsunami-Katastrophe gesäubert. Zurück bleiben tiefe Wunden bei den Menschen. Eltern zeigen uns auf Familienbildern, welches ihrer Kinder von den Fluten mitgerissen worden ist. In und um Chennai, dem früheren Madras, hat es die ärmste Bevölkerung am stärksten getroffen. Fischerfamilien, die direkt am Strand wohnen, aber auch viele Tagelöhner, die dort ohne offizielle Erlaubnis eine Hütte gebaut haben. Sie haben alles verloren, die zwei Flutwellen haben Hütten und Einrichtungsgegenstände weggespült. Uns wird immer wieder erzählt, dass die Welle über zehn Meter hoch gewesen ist und mit welcher Wucht sie alles innerhalb von weniger als einer Minute mitgenommen hat.

Die Überlebenden trauern um ihre Angehörigen, sie wissen aber auch, dass sie unglaubliches Glück gehabt haben. Stolz zeigt eine junge Mutter ihr Baby, das kurz vor der Katastrophe geboren worden ist. Das Geburtsdatum lautet: "Elf Tage vor Tsunami geboren" und aus den Augen der Mutter spricht das Glück, dass ihre kleine Tochter überlebt hat. Von den 200 Familien, die ursprünglich in diesem Dorf gelebt haben, sind mehr als 150 Tote zu beklagen.

Das von der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) unterstützte Krankenhaus Gremaltes hat sofort in den ersten Tagen der Katastrophe Nothilfe geleistet und den Menschen Kerosinkocher, Töpfe, Eimer und Geschirr zur Verfügung gestellt, damit sie sich wieder selbst ernähren können - auch Trinkwasser musste in den ersten Wochen bereitgestellt werden, da die Brunnen voller Meerwasser gelaufen waren. In der Zwischenzeit sind die meisten gereinigt und wieder funktionsfähig.

Jetzt warten die Menschen auf langfristige Hilfe. Die Fischer wollen ihrem Beruf wieder nachgehen, obwohl in der ersten Zeit viele von ihnen traumatisiert waren und Angst vor einer weiteren Welle hatten. Zumindest ein wenig konnten die Sozialarbeiter von Gremaltes den Menschen helfen, haben mit ihnen Gespräche über das Erlebte - sei es der Verlust von Angehörigen oder die Verarbeitung des eigenen Schreckens - geführt. Wenn man von der Ferne auf den Strand sieht, kann man kaum glauben, was für ein Unheil hier über die Menschen gekommen ist. Dabei ist der Strand von Chennai mit einer Länge von 65 Kilometern der zweitlängste der Welt.


Die Familie braucht dringend Hilfe beim Aufbau einer neuen Existenz.

Die ersten denken drei Wochen nach der Flut schon wieder daran, wie es langfristig weitergeht. Einige haben "Claims" abgesteckt und damit deutlich gemacht, dass sie auf ihrem ehemaligen Stück Land wieder ein Haus bauen wollen. Andere haben schon ihren Brunnen freigelegt, der früher einmal der Mittelpunkt ihres Hauses darstellte. Nur fehlen die Mittel mit dem Bau eines Hauses darum zu beginnen. In allernächster Zeit ist der Kauf von Booten und Netzen von größter Dringlichkeit, damit die Fischer wieder selbstständig sind und wie bisher stolz ihrer Arbeit nachgehen können.

Der von der Ministerpräsidentin von Tamil Nadu eingesetzte Beamte mit der Spezialaufgabe die Nothilfe und die nachhaltige Hilfe für die Opfer der Tsunami-Flut zu koordinieren, C.V. Sankar, freut sich über die sofort eingesetzte Hilfe der DAHW und ist sich mit den deutschen Besuchern einig, dass nun ein koordiniertes Vorgehen gemeinsam mit den Hilfswerken nötig ist. Die Regierung ist für die Hilfe von außen dankbar, kann aber auch stolz auf ihre eigenen Erfolge verweisen. Gleich in den ersten Tagen nach der Katastrophe wurden Notunterkünfte und Zeltstädte eingerichtet, der Strand mit Baggern geräumt, zum Teil konnte die Wasserversorgung instand gesetzt  werden und die Menschen mit Nahrungsmitteln notdürftig versorgt werden. Jetzt heißt es aber einen langen Atem zu behalten. Den Tsunami-Opfern muss über Jahre geholfen werden. Auf die ausländischen Hilfsorganisationen, deren indischen Partner und den Staat warten genügend Aufgaben: etwa 150.000 Familien haben durch die Tsunami ihr Dach über dem Kopf verloren, Schätzungen gehen davon aus, dass dies etwa 650.000 Menschen sind.

Die DAHW bittet um Spenden:


Spendenkonto 9696


bei der Sparkasse Mainfranken-Würzburg


BLZ 790 500 00


Stichwort: Seebeben

-> Hier können Sie helfen!

Die Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) wurde 1957 als Deutsches Aussätzigen-Hilfswerk gegründet. Sie ist seit 1958 in Indien tätig. In den von der Flutkatastrophe betroffenen Bundesstaaten Tamil Nadu, Orissa, Kerala und Andhra Pradesh unterstützt die DAHW 36 soziale und medizinische Projekte für Kranke, Behinderte und Ausgestoßene.

DAHW-Mitarbeiter in Indien stehen Ihnen telefonisch für Interviews zur Verfügung.


Kontakt: Renate Vacker, Pressesprecherin, Tel.: (0931) 7948-132, renate.vacker@dahw.de


Thorsten Beil, Pressereferent, Tel.: (0931) 7948-130, thorsten.beil@dahw.de

-> Pressemitteilung vom 26. Januar 2005: DAHW hilft mit Würzburger Partnern beim Wiederaufbau 

-> Pressemitteilung vom 5. Januar 2005: DAHW hilft in zwölf indischen Fischerdörfern

-> Pressemitteilung vom 30. Dezember 2004: DAHW weitet Flutopfer für Indien aus.