21. März 2013

"Sicherheit gibt es hier nicht!"

DAHW-Repräsentant Gerhard Oehler erzählt von seinem Alltag in Nigeria: Ein Erfahrungsbericht

(Würzburg, März 2013) Gerhard Oehler freut sich auf den Ruhestand. Noch etwas über ein Jahr vertritt er die DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe als Repräsentant in Nigeria, dann will er sich mit seiner Frau in die österreichische Heimat zurückziehen.

Bei seinem Besuch in der DAHW-Zentrale in Würzburg hat er viele Geschichten parat. „In einem Land wie Nigeria funktioniert fast nichts, deshalb ist die Logistik umso wichtiger“, sagt der ehemalige Steuerberater und lobt damit gleichzeitig seine Kollegen: "Wir sind ein eingespieltes Team, die Arbeit läuft auch dann gut, wenn ich mal unterwegs bin."


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Nigerianer erkennen Gefahren besser

Nigeria in Westafrika hat über 150 Millionen Einwohner und 37 Bundesstaaten. Es gibt 37 Gesundheitsprogramme und hunderte von Gesundheitsstationen, doch für die Größe des Landes eine nicht einmal ausreichende Versorgung. In diesem Umfeld arbeitet die DAHW.

Die Sicherheit vor Ort ist ein großes Thema, denn es gibt keine. "Wenn meine Frau einkaufen geht, wird sie von einem Wächter begleitet." Unbewaffnet, wohlgemerkt. "Die Nigerianer sehen mehr als wir. Deshalb hält der Wächter Augen und Ohren offen und erkennt Gefahren, die wir nie als solche betrachten würden." Gerhard Oehler weiß, wovon er spricht. Seit sieben Jahren lebt er in Enugu im christlichen Süden des Landes. "Hier ist die Lage auf alle Fälle weniger gefährlich als im islamischen Norden, doch die Angst vor Entführungen ist allgegenwärtig." Er nennt es "low level appearance", das Nicht-Auffallen, Nicht-Prahlen. Und wenn doch mal etwas Unvorhersehbares passiert, rät er zur Zurückhaltung, und dazu, gefährliche Situationen aus der Ferne zu beobachten.

Unabhängig davon erzählt er von seinem Alltag in Nigeria. "Wir arbeiten auf dem sogenannten Grassroot-Level, also an der Basis. Unsere Mitarbeiter sind spezialisiert auf den Besuch der Gesundheitsstationen und geben uns qualifizierte Rückmeldungen", lobt Oehler die Zusammenarbeit. In der Tat, Oehler und seine Mitstreiter haben viel zu tun. Sie arbeiten für das nigerianische Gesundheitsministerium und eng mit am Nationalen TB- und Leprakontrollprogramm.

Professionalität des Teams

Dabei wird neben diesen beiden Bereichen auch Buruli Ulcer abgedeckt, eine in den Tropen verbreitete infektiöse Erkrankung der Haut und Weichteile mit Bildung zum Teil ausgedehnter Geschwüre. Stolz sei er auf die Professionalität seines Teams. "TB-Kontrolle führen wir auch in zwei Slums durch. Da gehen andere nicht so einfach hin", ergänzt der gebürtige Südtiroler. Besonders gravierend sei TB bei Kindern. Die Infektion werde bei den Kleinen nur schwer erkannt und könne deshalb zu fatalen Ergebnissen führen. Daher sei die Zusammenarbeit mit verschiedenen Kooperationspartnern umso wichtiger. "Von der Zusammenarbeit mit weiteren Experten können wir nur profitieren." Natürlich erreiche die DAHW nicht immer ihre Ziele, doch das sei in einem Land wie Nigeria, in dem es weder ein funktionierendes Gesundheitssystem gibt noch qualifizierte Ärzte oder ausreichend Medikamente, normal.

Mangelnde Demokratie

Auch die Korruption sei allgegenwärtig und in allen Schichten der Bevölkerung vorhanden. "Als gutes Beispiel arbeiten wir daher mit größtmöglicher Transparenz und Ehrlichkeit", sagt er. Standhaftigkeit und rigorose Ablehnung von Korruption seien notwendig, ebenso werde bei neuen Projektanträgen die staatliche Struktur mit einbezogen. "Die Demokratie ist noch sehr weit entfernt von der, die wir kennen." Doch die Menschen hätten Geduld, "vor allem, was das Leid angeht." Oehler bewundert die Menschen und ihren Umgang mit allen Unzulänglichkeiten, die ein Land mit mangelnder Demokratie mit sich bringt. Er spricht von einem Netzwerk mit Universitäten, von Spezialisten und Experten, die ihre Erfahrungen regelmäßig austauschen. DAHW-Kollegen sind dabei.

Und welches Fazit zieht Gerhard Oehler ein knappes Jahr vor seiner Pensionierung: "Ich habe geglaubt, alles zu wissen. Hier bin ich eines Besseren belehrt worden. Nigeria ist ein Land, in dem man viel lernen kann, immer wieder aufs Neue." Und mit diesem "irrsinnigen Lernschub" ist er bestens gerüstet für seinen Ruhestand in Südtirol.


Weitere Informationen

Dr. Joseph Chukwu - Arzt aus Leidenschaft
Medizinischer Berater der DAHW in Nigeria