22. März 2012

„Wir behandeln Menschen, nicht Krankheiten“

Dr. Chris Schmotzer berichtet von ihrem Engagement in Pakistan. Seit 1988 arbeitet sie im Rawalpindi-Hospital in den Bergen der nordpakistanischen Provinz Punjab.

(Würzburg, März 2012) Die dem Orden der Christusträger-Schwestern, einer in Süddeutschland beheimateten Schwesterngemeinschaft, angehörige Ärztin übernahm 1993 die medizinische Leitung. Bereits seit 1965 arbeitet die DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe e.V. mit den Christusträger-Schwestern zusammen. In Pakistan sind sie unter dem Namen Aid to Leprosy Patients (ALP) als Nichtregierungsorganisation aktiv und leisten im Kampf gegen Lepra und Tuberkulose einen unverzichtbaren Beitrag. Im Rawalpindi-Hospital werden jährlich viele Patienten diagnostiziert und erhalten kostenlos die rettende Behandlung.

„Wir sind ein Ladies Club“, schmunzelt Dr. Schmotzer bei ihrem Besuch in der Würzburger DAHW-Zentrale und schwärmt von der Zusammenarbeit mit den Kolleginnen im Krankenhaus. „Frauen sind meistens die besseren Arbeitnehmer, da sie von klein auf lernen, in den Familien mitzuhelfen. Ich bin glücklich mit meinem Frauenteam“, lobt sie. Schwerpunkt ihrer Tätigkeit vor Ort ist die Behandlung von Tuberkulose (TB), Lepra, Haut- und Augenerkrankungen. „Die Unterstützung durch die DAHW ist für uns lebenswichtig. Nur so können wir unsere Arbeit in diesem Umfang fortführen“, sagt die gebürtige Fränkin aus Hersbruck.

Rund 400.000 neue TB-Fälle jährlich gibt es in Pakistan. Die sogenannte multiresistente TB (MDR-TB) tritt dabei mit rund 15.000 Erkrankungen immer häufiger auf. TB-Erreger haben inzwischen Resistenzen entwickelt und sind gegen die zwei wichtigsten Medikamente der Standardtherapie immun. Ein neuer genetischer Test sei ein „revolutionärer Fortschritt“. Dabei handele es sich um ein molekulares Diagnosesystem für TB-Bazillen im Sputum. „Das bekommen wir als Zentrum für multiresistente Tuberkulose von der Weltgesundheitsorganisation kostenlos. Damit können wir innerhalb von zwei Stunden die Diagnose feststellen.“ Doch das sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn es mangelt überall an Medikamenten. Es gibt lange Wartelisten. Außer in Rawalpindi. „Dank der Unterstützung durch die DAHW können wir fehlende Arznei kaufen und den Leuten sofort helfen“, sagt die 57-Jährige. Die Mindestbehandlungsdauer bei TB dauert sechs Monate, bei Multiresistenz bis zu zwei Jahren.

Dass die TB auch andere Organe und sogar Knochen befallen kann, zeigt sie am Beispiel einer jungen Frau, die gelähmt ins Krankenhaus eingeliefert wurde. Patienten wie sie mit Wirbelsäulen-TB bleiben für lange Zeit stationär und bekommen zusätzlich Physiotherapie. „Mit Erfolg“, sagt Dr. Schmotzer, „nach einem halben Jahr überraschte sie uns mit ersten Schritten.“ Diabetes-Erkrankungen nehmen ebenfalls zu. „Die Kombination mit TB ist eine tödliche Mischung.“ Die Ordensfrau ist Tag und Nacht im Einsatz, zählt auf ihre Netzwerke mit anderen Nichtregierungsorganisationen und auf die persönliche Beziehung zu ihren Patienten. „Sie müssen sich ernst genommen fühlen. Das ist für den nachhaltigen Erfolg der Behandlung am wichtigsten.“ Einen ganzheitlichen Ansatz verfolge sie dabei, das Wohl ihrer Patienten immer im Blick. „Wir behandeln Menschen, nicht Krankheiten“, betont sie. Auch die Ernährung spiele eine große Rolle, um den durch TB verursachten Gewichtsverlust entgegenzuwirken. „Neben der normalen Verköstigung gibt es für unsere Patienten zwei weitere Mahlzeiten am Tag.“

Das erweiterte Krankenhaus-Gebäude in Rawalpindi hat heute 97 Betten und ist der Stolz aller Mitarbeiter. Monate haben sie auf die Fertigstellung gewartet. Es reiche jedoch noch lange nicht aus, um der Vielzahl an Erkrankten gerecht zu werden. Die, die sich eigentlich zuhause behandeln lassen, scheuen weder lange Anfahrten noch körperliche Strapazen, um nach Rawalpindi zu kommen. Für medizinischen Beistand und die Ausgabe der Medikamente. Denn hier fühlen sie sich gut aufgehoben.

Bis vor zehn Jahren arbeitete Dr. Chris Schmotzer als Lepra-Ärztin. Diese Erfahrungen kommen ihr auch in Pakistan zugute. Regelmäßig veranlasst sie Leprakurse für ihr medizinisches Personal und organisiert „Skin Camps“. In den provisorisch errichteten Zelten werden Menschen in unwegsamen Regionen auf Hautflecken als erste Anzeichen einer Lepraerkrankung untersucht. „Früherkennung ist umso wichtiger. Meist wird ein tauber Hautfleck von den Patienten nicht wahr genommen. Eine unübersehbare Behinderung entsteht erst, wenn zusätzliche Nerven befallen sind.“

Die Ärztin ist eine optimistische Frau, die sich inmitten von Widrigkeiten für den Dienst am Menschen einsetzt. „Es ist wichtig, die kleinen Schritte zu sehen. Das hilft mir, durchzuhalten“, erklärt sie. „Und dabei jeden Tag als Chance von Gott sehen und diese zu nutzen.“