10. August 2024

Zum Todestag der Visionärin Dr. Ruth Pfau: „Das letzte Wort wird Liebe sein.“

Ordensfrau, Ärztin, DAHW-Ehrenbotschafterin, Visionärin: Dr. Ruth Pfau (Foto: Maik Meid)

Die DAHW erinnert an ihre Ehrenbotschafterin, die verstorbene „Mutter der Leprakranken“, Dr. Ruth Pfau. Eine Würdigung.

Würzburg, 10.08.2024: „Für die Menschen in Pakistan“, sagt einer, der es wissen muss, „ist klar: Dass die Lepra in ihrem Land unter Kontrolle gebracht wurde, ist ein Verdienst der Deutschen. Und damit meinen sie: Dr. Ruth Pfau.“

Das sagt Mervyn F. Lobo, der jahrzehntelang als engster Mitarbeiter an der Seite der berühmten Lepra-Ärztin Dr. Ruth Pfau in Pakistan gewirkt hat. Ihn baute sie schließlich als Nachfolger auf, er übernahm die Leitung der von ihr gegründeten Organisation MALC und verantwortet nun die Durchführung der Lepra-Projekte der DAHW in Pakistan. „Die Essenz unseres gesamten Programms“, sagt er, „war Dr. Ruth Pfau, ist Dr. Ruth Pfau und wird Dr. Ruth Pfau sein.“ Denn ihre Hingabe, ihre bedingungslose Nächstenliebe und ihr unermüdlicher Einsatz dient bis heute als Vorbild für die Arbeit vor Ort.

Und nicht nur dort – auch in der Arbeit der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe in Deutschland lebt der Geist der 2017 verstorbenen Ordensfrau weiter. DAHW-Vorstand Patrick Georg zitiert ihren berühmten Ausspruch: „Das letzte Wort wird Liebe sein.“ Georg interpretiert das allumfassend: „Es kann nicht sein, dass das Leben sinnlos ist. Die Liebe wird die Oberhand gewinnen.“ Er weiß: Diesen Satz hat Dr. Ruth Pfau nicht nur als Philosophin und Ordensfrau formuliert, sondern auch als Mensch, „der das Leben auch in seinen Untiefen erlebt hat“.

Denn: Nicht nur die Kindheit während des Zweiten Weltkrieges prägte die gebürtige Leipzigerin, auch der frühe Tod ihres kleinen Bruders hatte großen Einfluss auf ihren Lebenslauf – er weckte in ihr den Wunsch, als Medizinerin ähnliche Schicksale zu vermeiden. Die Taufe als junge Frau kann durchaus verstanden werden als logische Konsequenz einer tiefen Auseinandersetzung mit der eigenen Spiritualität, mit der Realität des Lebens auch außerhalb des eigenen Umfelds, mit dem tief empfundenen Wunsch, Gutes zu tun.

Dass sie diesen Wunsch, dieses Ziel mit unermüdlicher Willensstärke verfolgte, wird zu vielen Zeitpunkten ihres Lebens erkennbar: Etwa, als sie als junge Ärztin entscheidet, ihre frisch erworbenen Kenntnisse in der Entwicklungszusammenarbeit einzusetzen. Oder bei ihrem Eintritt in die Kongregation der Gesellschaft der Töchter vom Herzen Mariä. An der Bereitschaft, als Gynäkologin von ihrem Orden entsandt nach Indien zu gehen. Und natürlich am Schlüsselereignis auf dem Weg nach Delhi: Beim Zwischenstopp in Karachi, Pakistan, begegnet sie Bettler:innen, die in einer Lepra-Ambulanz in einem Slum unter menschenunwürdigen Bedingungen leben müssen. Dr. Ruth Pfau entscheidet: Hier ist der Ort, an dem ich gebraucht werde.

Sie bleibt, versorgt die Betroffenen, kümmert sich um dringend benötigte Infrastruktur und zieht eine Organisation auf, die bis heute wegweisende Arbeit im Bereich Lepra leistet: Das Marie-Adelade-Leprosy-Center (MALC). 1961 erhält das MALC erstmals Unterstützung von der DAHW Deutsche Lepra- und Tuberkulosehilfe. Mit den Mitteln aus Deutschland ist es Dr. Ruth Pfau und ihrem Team möglich, auch Menschen abseits der großen Städte zu erreichen: Persönlich legt sie etwa stundenlange Fußmärsche in abgelegenen Bergregionen zurück, um Menschen zu finden, die von Lepra betroffen sind, und ihnen eine Behandlung zu ermöglichen.

Auch die Aufklärungs- und Advocacy-Arbeit spielt eine wichtige Rolle im Wirken Dr. Ruth Pfaus. Sie vernetzt sich, hält Seminare, spricht andere Ärzt:innen an. Eine von ihnen, die im Bereich der Mutter-und-Kind-Gesundheit arbeitet, lernt Dr. Ruth Pfau in den späten Neunzigern kennen und zeigt sich von der berühmten Kollegin tief beeindruckt. Die Pakistanerin erzählt zuhause ihrer Familie davon, wieder und wieder. Ihr Sohn, damals im Grundschulalter, erinnert sich noch gut daran: „Es war unglaublich spannend für mich, dass eine Frau aus Deutschland kommt und sich hier für die Lepra-Patient:innen einsetzt.“ Der Junge beschließt, ebenfalls Medizin zu studieren – heute arbeitet er als Global Health-Berater für die DAHW. „Für meine Eltern ist es das Größte, dass ich für eine Organisation tätig bin, die die Arbeit von Dr. Ruth Pfau fortsetzt“, sagt Anil Fastenau und lacht. „Und für mich gilt das auch: Dass ich die Chance habe, ihre Arbeit zu vollenden, ihren Traum von einem Pakistan ohne Lepra wahr werden zu lassen, macht mich sehr stolz.“

Fastenau ist federführend verantwortlich für die Lepra-Projekte der DAHW in Pakistan, gemeinsam mit Mervyn F. Lobo, dem Leiter des MALC. Die Strategie der beiden sieht vor, die Krankheit in Pakistan Schritt für Schritt bis zum Jahr 2030 zu eliminieren. Ein Ziel, das ohne die Arbeit und den Einsatz Dr. Ruth Pfaus niemals denkbar gewesen wäre. „Ich habe Dr. Ruth Pfau nicht kennen gelernt, aber heute trage ich dazu bei, ihre Arbeit zu Ende zu bringen“, sagt Fastenau im Gespräch, und dann setzt er hinzu: „Wie krass ist das denn?“

Es ist eine rhetorische Frage.


 

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